Dienstag, 16. September 2008

Alle gegen Kinderarmut - aber weiß die eine Hand, was die andere tut?

Bei mir trudelt derzeit eine Meldung über Initiativen gegen Kinderarmut nach der anderen ein. Den Eindruck konzertierten Vorgehens macht das nicht, aber immerhin, es geschieht etwas. Was, das möchte ich in diesem Beitrag zusammenfassen:

1. In der pfälzischen Landeskirche wurde am vergangenen Sonntag in Ludwigshafen eine Kampagne gegen Kinderarmut eröffnet. Aus der Pressemitteilung vom 14.9.2008:
Mit einem Familiengottesdienst eröffnete das Diakonische Werk Pfalz heute in der Matthäuskirche in Ludwigshafen seine traditionelle Herbstopferwoche und startete zugleich seine Kampagne gegen Kinderarmut. Unter dem Motto "Absprung! Raus aus der Kinderarmut" rief das Diakonische Werk Pfalz dazu auf, die Situation armer Kinder in Rheinland-Pfalz in den Blick zu nehmen, auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren und tragfähige Konzepte zur Armutsprävention zu entwickeln. (...)

In seiner Eröffnungsansprache wies Landespfarrer für Diakonie Gordon Emrich darauf hin, dass in Deutschland jedes fünfte bis sechste Kind unterhalb der Armutsgrenze lebe, in Ludwigshafen sogar jedes vierte Kind in Armut aufwachse. (...) Aufgrund der komplexen Problematik führten eindimensionale Lösungen einzelner Akteure nicht weiter. Eine breite Vernetzung von Verantwortlichen in Kirche, Politik und Gesellschaft zum Wohle der Kinder und ihrer Familien sei anzustreben. Er wünsche sich, dass neben dem Kirchenbezirk Ludwigshafen und der Ökumenischen Fördergemeinschaft Ludwigshafen viele Menschen die Kampagne unterstützen. Ganz besonders freue er sich, dass der prominente Weltschiedsrichter Dr. Markus Merk sich als Botschafter für die Kampagne engagiere.
Was geschieht konkret bei dieser Kampagne, außer dass der Erlös dieser Herbstsammlung sowie der künftigen Sammlungen für Projekte der Kinder- und Jugendarbeit von Diakonie, Kirchenbezirken und Kirchengemeinden in der Pfalz und Saarpfalz bestimmt ist? Wie wird das Anliegen der Kampagne in die Kirchengemeinden hineingetragen? Darauf antwortete mir Landesdiakoniepfarrer Gordon Emrich im Interview für die RPR1-Nachrichten:
"Es gibt einen Flyer, den die Kirchengemeinden zugestellt bekommen, mit den wichtigsten Informationen über Armut und ihre Auswirkungen auf Kinder. Es gibt daneben eine Arbeitshilfe für die Kirchengemeinden, für Konfirmanden- und Schulunterricht sowie Gottesdienstgestaltung, und es gibt darüber hinaus noch Informationen, die wir zur Verfügung stellen, wenn Kirchengemeinden mit ihren Gruppen sich mit dem Thema Kinderarmut auseinandersetzen wollen."
Die Arbeitshilfe steht auf der Homepage der pfälzischen Landeskirche als pdf-Datei zum Herunterladen bereit.

2. In Hannover findet/fand heute ein unter anderem von der Nationalen Armutskonferenz veranstalteter Fachtag zum Dritten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung statt. Aus der Pressemitteilung vom 16.9.2008:
Ein Sofortprogramm gegen Kinderarmut hat heute der Sprecher der Nationalen Armutskonferenz (NAK) und Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks in Hessen und Nassau, Pfarrer Dr. Wolfgang Gern, gefordert (...): „Die Politik ist sich einig: Bereits morgen könnten Lernmittelfreiheit, ein kostengünstiges Mittagessen in der Ganztagsbetreuung oder der Ganztagsschule und kostenloser Schülertransport mindestens für arme Kinder überall zum Rechtsanspruch werden. Bund, Länder und Kommunen müssen endlich klären, wer auf welcher Ebene die Verantwortung dafür trägt. Die Erhöhung der staatlichen Unterstützung von Kindern darf nicht im Zuständigkeitsstreit zwischen den unterschiedlichen Finanziers aufgeweicht oder gar verhindert werden.“

Gern sagte, dass gute Vorschläge zu lange in der Schublade lägen: Das „Schulmittelbedarfspaket“ für Hartz IV-Kinder sei schon im letzten November vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ins Gespräch gebracht worden. Doch zum aktuellen Schuljahresbeginn gebe es noch nicht einmal einen Gesetzentwurf. Er forderte eine 20-prozentige Erhöhung des Kinderregelsatzes. Die anstehende Erhöhung des Kindergeldes müsse auch bei den über zwei Millionen Kindern und Jugendlichen im Hartz IV-Bezug wirksam werden.

Der NAK-Sprecher sprach weiter den Zusammenhang von Kinderarmut und Bildungsmisere an. Dass Kinder in armen Familien aufwachsen, sei dramatisch. Dass sich diese Verhältnisse verfestigten, sei noch dramatischer. „Die Abwärtsspirale setzt dann ein, wenn Familien in einer Welt aus Unsicherheit und Armut gefangen sind. Denn wenn aus Kindern armer Eltern arme Eltern werden, dann werden soziale Lebenschancen vererbt“, sagte Gern.
3. Auch die Diakonie in der rheinischen Landeskirche befasst sich mit dem Thema. Für kommenden Freitag hat der Öffentlichkeitsreferent des Evangelischen Kirchenkreises Trier zum Pressegespräch eingeladen. Anlass ist die jährliche Geschäftsführungskonferenz der Diakonischen Werke in der Evangelischen Kirche im Rheinland, die vom 18.-19.9.08 in Trier stattfindet. Und die diesmal zum Schwerpunktthema hat - na, was wohl? Richtig: "Armut - Kinderarmut".

4. Und noch einmal Pfalz: Das Forum "Kind und Kirche" der pfälzischen Landeskirche veranstaltet am 1. Oktober in Kaiserslautern einen Studientag (genauer: Studienabend) zum Thema. Im Zentrum der Veranstaltung unter dem Titel "Armut wahrnehmen - Teilhabe ermöglichen" stehen vor allem ein Vortrag der Frankfurter Politikwissenschaftlerin und Sozialarbeiterin Gerda Holz sowie die Präsentation bereits bestehender Projekte in Kirchengemeinden.

An dieser Stelle sei der Hinweis gestattet, dass bereits im Deutschen Pfarrerblatt 6/2008 ein grundlegender und äußerst lesenswerter Aufsatz von Gerda Holz unter dem Titel "Armut bei Kindern - eine deutsche Wirklichkeit. Handlungsansätze einer kindbezogenen Armutsprävention" erschienen ist, der auch im Internet verfügbar ist.

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